BAG dreht weiter das Rad beim Annahme­verzugslohn zurück

Immer wieder stellt sich nach Ausspruch einer arbeitgeberseitigen (letztendlich unwirksamen) Kündigung des Arbeitnehmers die Frage, ob dieser im Laufe des Prozesses Ansprüche auf Annahmeverzugslohn mit Aussicht auf Erfolg geltend machen kann, da der Arbeitgeber ja die Leistungen des Arbeitnehmers nicht entgegennimmt und damit in Annahmeverzug gerät und grundsätzlich Annahmeverzugslohn schuldet und, wie der Arbeitgeber diesem Begehren des Arbeitnehmers (prozessual) wirksam entgegentreten kann.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat jetzt in seiner jüngsten Entscheidung vom 19.05.2021 der fast schon „grenzenlosen Geltendmachung“ solcher Ansprüche „einen Dämpfer verpasst“.

Sachverhalt:

Die spätere Klägerin widersprach dem Betriebsübergang gemäß § 613a BGB. Daraufhin bot der bisherige Arbeitgeber bzw. der Betriebserwerber für den Zeitraum von zwölf Monaten aufgrund bestehender Vakanzen eine Kompensation (Beschäftigung) im Wege der Arbeitnehmerüberlassung an. Das Angebot sah vor, dass die Klägerin für ein Jahr zu ansonsten unveränderten Bedingungen mit ihrer bisherigen Tätigkeit als Leiharbeitnehmerin bei der Erwerberin arbeiten sollte. Die Klägerin nahm dieses Angebot nicht an. Sie klagte sodann Annahmeverzugslohnansprüche ein. Der Arbeitgeber/Erwerber wendete ein, dass die Klägerin durch die Nichtannahme des Angebotes anderweitigen Erwerb böswillig nach § 615 S. 2 BGB unterlassen habe und sich diesen anrechnen lassen müsste.

Entscheidung:

Das BAG hat die Klage auf Annahmeverzugslohn abgewiesen und ausgeführt, dass sich für den Fall, dass sich der Arbeitgeber nach dem Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines Betriebsüberganges in Annahmeverzug befindet, sich der Arbeitnehmer nach § 615 S. 2 BGB böswillig unterlassen anderweitigen Erwerb anrechnen lassen muss, wenn er das Angebot des Arbeitgebers, bei dem Erwerber im Wege der befristeten Arbeitnehmerüberlassung die bisherige Tätigkeit zu im Übrigen unveränderten Arbeitsbedingungen fortzusetzen, nicht annimmt.

Ein Arbeitnehmer unterlässt danach böswillig im Sinne von § 615 S. 2 BGB anderweitigen Verdienst, wenn ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt und eine ihm nach Treu und Glauben zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufnimmt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert. Maßgebend sind dabei die gesamten Umstände des Einzelfalls. Erforderlich für die Beurteilung der Böswilligkeit ist stets eine unter Bewertung aller Umstände des konkreten Falles vorzunehmende Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen. Ist die Beschäftigungsmöglichkeit zumutbar, hat sich der Arbeitnehmer anderweitigen böswillig unterlassen Erwerb anrechnen zu lassen, auch in den Fällen des Betriebsübergangs.

Praxistipp:

Das BAG entwickelt seine Rechtsprechung im Anschluss an die bemerkenswerte Entscheidung zum Annahmeverzugslohn vom 23.02.2021 weiter fort und schiebt dem Annahmeverzugslohn einen weiteren Riegel vor. Es ist stets zu prüfen, ob der Arbeitgeber, um mögliche Annahmeverzugslöhne, jedenfalls über § 615 S. 2 BGB, zu Fall zu bringen, dem jeweiligen Arbeitnehmer entsprechende alternative Jobangebote unterbreiten kann. Dies ist aber kein Selbstläufer. Es ist stets zu prüfen, ob die Umstände des Einzelfalls dies zulassen. Insbesondere, wenn der Arbeitnehmer zu anderen (schlechteren) Arbeitsbedingungen beschäftigt werden soll, wird dies regelmäßig nicht der Fall sein (fehlende Zumutbarkeit). Insoweit ist im Einzelfall behutsam abzuwägen.

Ein Arbeitgeber ist daher gut beraten, wenn er sich im Vorfeld hierzu entsprechende Überlegungen macht. Dann wird es ihm auch gelingen, Ansprüche auf Annahmeverzugslohn wirksam zu begegnen.

Jürgen W. Gerth
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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