Aufatmen jetzt auch im Vereinsrecht – digitale Mitgliederver­sammlungen

Der Gesetzgeber hat sich nun endlich, nachdem die virtuelle Hauptversammlung in der AG (§ 118a Abs. 1 Satz 1 AktG) als auch die virtuelle Gesellschafterversammlung in der GmbH (§ 48 GmbHG) bereits im Jahre 2022 gesetzlich ermöglicht worden sind, dazu jetzt durchgerungen, auch im Verein die hybride bzw. virtuelle Mitgliederversammlung einzuführen (§ 32 Abs. 2 BGB), nach dem er sich hierzu zunächst nicht durchringen wollte. So stand lange der Gedanke im Vordergrund, dass der Verein aufgrund seiner Mitgliedschaftsstruktur eine Präsenzversammlung erfordere.

§ 32 Abs. 2 BGB neu:

Das Gesetz ist denkbar kurz: Nach § 32 Abs. 1 BGB wird folgender Absatz eingefügt:

„(2) Bei der Berufung der Versammlung kann vorgesehen werden, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können (hybride Versammlung). Die Mitglieder können beschließen, dass künftige Versammlungen auch als virtuelle Versammlungen einberufen werden können, an der Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und ihre anderen Mitgliederrechte ausüben müssen. Wird eine hybride oder virtuelle Versammlung einberufen, so muss bei der Berufung auch angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.“

Bisher galt:

Bisher hatten Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht grundsätzlich als Präsenzveranstaltung stattzufinden. Die Abhaltung von virtuellen oder teilvirtuellen (sog. „hybriden“) Mitgliederversammlungen war nur dann möglich, wenn die Satzung des Vereins dies ausdrücklich vorsah oder alle Mitglieder ausdrücklich zustimmten. Die pandemiebedingte Sonderregelung aus § 5 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19- Pandemie (GesRuaCOVBekG), die bis zum 31. August 2022 in Kraft war, ermöglichte es den Vereinen, auch ohne entsprechende Satzungsregelung Mitgliederversammlungen im Wege der elektronischen Kommunikation durchzuführen.

Zur neuen Regelung im Einzelnen:

  • Zum einen können nun sog. „hybride“ Mitgliederversammlungen vom Einberufungsorgan, also meist dem Vorstand, einberufen werden, bei denen dem Vereinsmitglied die Möglichkeit einer Teilnahme an der Mitgliederversammlung ohne physische Anwesenheit am Versammlungsort mittels elektronischer Kommunikationsmittel eröffnet wird.
  • Zum anderen können die Vereinsmitglieder das Einberufungsorgan auch zur Einberufung (rein) virtueller Versammlungen ermächtigen, auch wenn die Satzung virtuelle Mitgliederversammlungen nicht vorsieht. Diese (rein) virtuelle Versammlung unterscheidet sich von der hybriden Versammlung dadurch, dass an ihr die Mitglieder im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und ihre anderen Mitgliederrechte ausüben müssen. Eine Möglichkeit zur Anwesenheit am Versammlungsort zur Ausübung der Mitgliederrechte besteht für die Mitglieder nicht. Für eine entsprechende Beschlussfassung der Mitgliederversammlung ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich; eine Beschlussfassung außerhalb einer Mitgliederversammlung ist nach § 32 Abs. 2 BGB nur einstimmig möglich. Eine entsprechende Ermächtigung kann nur für künftig stattfindende Versammlungen getroffen werden, nicht aber für die Versammlung, in der dieser Beschluss gefasst wird. Das Einberufungsorgan kann dabei ermächtigt werden, einzelne Versammlungen als virtuelle Versammlungen einzuberufen, aber auch, alle künftigen Versammlungen gegebenenfalls als virtuelle Versammlungen einzuberufen. Die Ermächtigung zu virtuellen Mitgliederversammlungen kann durch Beschluss auch wieder zurückgenommen werden.
  • Die Ausübung der Mitgliederrechte kann nun im Wege jedweder geeigneten elektronischen Kommunikation (z. B. Telefonkonferenz, Chat, Abstimmung per E-Mail) zugelassen werden, nicht nur durch Bild- und Tonübertragung (also als Videokonferenz). So kann die virtuelle Teilnahme und Ausübung der Mitgliederrechte so organisiert werden, wie es für den Verein am besten geeignet ist. Mit welchen konkreten Mitteln der elektronischen Kommunikation bei einer hybriden oder virtuellen Mitgliederversammlung die Teilnahme möglich ist, muss bei der Einberufung angegeben werden.
  • § 32 BGB ist dispositiv, sodass Vereine auch von dem neuen Absatz 2 durch entsprechende Satzungsregelungen abweichen können. So können Vereine in ihrer Satzung die Voraussetzungen für die virtuelle Teilnahme an Mitgliederversammlungen abweichend von § 32 Abs. 2 BGB n. F. regeln oder auch die virtuellen Teilnahmemöglichkeiten nach § 32 Abs. 2 BGB n. F. ausschließen.
  • Keine Erleichterungen für schriftliche Umlaufbeschlüsse gibt es nicht: Die pandemiebedingten Erleichterungen in Bezug auf schriftliche Beschlussfassungen außerhalb von (virtuellen/hybriden/Präsenz-) Sitzungen wurden nicht ins BGB übernommen. Hier gilt also weiter die seit dem 01.09.2022 wieder geltende Vor-Corona-Rechtslage. Das heißt schriftliche Umlaufbeschlüsse sind ohne Satzungsregelung nur wirksam, wenn alle Mitglieder zustimmen (§ 32 Abs. 3 BGB). Sollen zukünftig weiterhin auch im schriftlichen Umlaufverfahren Beschlüsse ohne Zustimmung aller Mitglieder gefasst werden können, muss dies in der Satzung vorgesehen werden.

Jürgen W. Gerth
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

pkl legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Glashütter Straße 104, 01277 Dresden
Telefon +49.351.86266102
Telefax +49.351.86266202
E-Mail gerth@pkl.com

nach oben