Massenent­lassungen werden erleichtert

EuGH entscheidet zum Umfang des Kündigungsschutzes

Massenentlassungen sind in arbeitsrechtlicher Hinsicht besonders kritisch und fehleranfällig, da neben der Beachtung des gesetzlich geregelten Kündigungsschutzes auch eine Massenentlassungsanzeige an die Bundesagentur für Arbeit erfolgen muss. Zudem muss ein teilweise sehr aufwändiges Konsultationsverfahren mit einem im Betrieb bestehenden Betriebsrat geführt werden. Fehler bei der Massenentlassungsanzeige oder beim Konsultationsverfahren können zur Unwirksamkeit aller Kündigungen führen.

Leidvolles Beispiel war hier unter anderem die Massenentlassung im Insolvenzverfahren der Fluggesellschaft Air Berlin.

Nun bahnt sich jedoch eine Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und damit eine Erleichterung für Massenentlassungen an.

Der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts legte mit Beschluss vom 27.01.2023 (6 AZR 155/22) dem EuGH die Frage vor, ob die Regelungen zum Konsultationsverfahren bei Massenentlassungen tatsächlich kündigungsschutzrechtliche Wirkung haben oder allein der Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit dienen.

Der EuGH hat mit seinem aktuellen Urteil vom 13.07.2023 (C 134/22) entschieden, dass zumindest bestimmte Mitteilungspflichten gegenüber der Bundesagentur für Arbeit nicht den Zweck haben, betroffenen Arbeitnehmern Individualschutz, gemeint ist damit Kündigungsschutz, zu gewähren.

Nun bleibt die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts abzuwarten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung ändert bzw. dahingehend anpasst, dass eine Verletzung von gegenüber der Bundesagentur für Arbeit bestehenden Pflichten bei der Durchführung von Massenentlassungen nicht mehr zur Unwirksamkeit der Kündigungen führt.

Diese begrüßenswerte Entscheidung würde zu einer in der Praxis wichtigen Rechtssicherheit bei Massenentlassungen – letztlich auch zu einer vernünftigen Erleichterung – führen und die Rechtsprechung auf ein Maß zurückführen, welches einen praktikablen Umgang mit den bisher äußerst strengen Regelungen der Massenentlassung ermöglicht.

Tipp:

Bis zu einer entsprechenden Rechtsprechungsänderung durch das Bundesarbeitsgericht sollten Arbeitgeber bei anstehenden Massenentlassungen aber die bisher geltenden (strengen) Regelungen hierzu unbedingt beachten und sämtliche Vorgaben einhalten.

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